Was im Umgang mit einer chronischen Krankheit im Job zählt
Veröffentlicht: Donnerstag, 19.12.2024 00:05
Selbstbewusst entscheiden
Köln/Berlin (dpa/tmn) - Hämmerndes Kopfweh, schmerzende Gelenke oder das altbekannte Rückenleiden. Wer unter einer chronischen Erkrankung leidet, steht im Berufsleben vor besonderen Herausforderungen. Da stellt sich schnell die Frage: Ist es besser, die Krankheit zu verschweigen oder den Arbeitgeber zu involvieren? Fragen und Antworten.
Wie beeinträchtigen chronische Krankheiten das Arbeitsleben?
Wie sehr eine chronische Erkrankung den Arbeitsalltag beeinträchtigen kann, ist individuell unterschiedlich. Welche Diagnose vorliegt, spielt meist eine untergeordnete Rolle. «Es geht eher um die Frage des Kontexts: Wie komme ich mit meinen Problemen, den Aufgaben, dem sozialen Umfeld und dem Managen der Erkrankung gut klar?», sagt Mathilde Niehaus, Professorin am Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation an der Universität zu Köln.
Dabei stelle sich vor allem die Frage, welche Art der Beeinträchtigung vorliegt. Verändert sie sich? Kommt sie periodisch vor? Ist sie sichtbar? Abhängig von den Arbeits- und Lebensbedingungen, können sich daraus unterschiedliche Einschränkungen ergeben.
Auch Ferda Ataman, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, sieht nicht in der Erkrankung selbst, sondern vielmehr in den daraus entstehenden Benachteiligungen ein Problem. Benachteiligungen aufgrund chronischer Erkrankungen sind laut Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verboten. Es sei wichtig, dass Betroffene wissen: «Nicht sie sind das Problem, sondern ein Arbeitsumfeld, das sie nicht wertschätzt und nichts gegen Diskriminierungen tut.»
Arbeitgeber müssen Beschwerdestellen gegen Diskriminierungen einrichten und Betroffenen zur Seite stehen, sollten sie Diskriminierungen erleben. «Tun sie das nicht, riskieren sie bei einer juristischen Auseinandersetzung Entschädigungszahlungen», so Ataman.
Muss ich meine Beeinträchtigung offenlegen? Was sollte ich bei der Überlegung beachten?
«Gesundheit ist Privatsache», sagt Ataman. Eine chronische Erkrankung muss auf der Arbeitsstelle deshalb in der Regel nicht offen kommuniziert werden. Ausnahmen sind Erkrankungen, die im jeweiligen Arbeitskontext «eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellen», sagt Mathilde Niehaus. Mit einigen spezifischen Beeinträchtigungen beispielsweise, darf man nicht als Busfahrer arbeiten.
Auch freiwillig kann es aber unter Umständen sinnvoll sein, die eigene Erkrankung offenzulegen. «Wenn die Rahmenbedingungen gut sind, macht das auf jeden Fall Sinn», sagt Jana Bauer, die ebenfalls am Lehrstuhl für Arbeit und berufliche Rehabilitation an der Universität zu Köln tätig ist. Denn auch das Verbergen einer Krankheit sei mit Aufwand verbunden, fresse Energie und löse möglicherweise ein Gefühl von Isolation aus.
Wer die Erkrankung offenlegt, schafft eine Grundlage, um über die eigenen gesundheitsbezogenen Bedürfnisse zu sprechen. Gegebenenfalls bekommen Betroffene Zugang zu Unterstützungsleistungen oder rechtlichen Schutz vor Diskriminierung. Demgegenüber steht laut Mathilde Niehaus die Angst vor Hindernissen in der beruflichen Entwicklung. Besonders das Thema Mobbing sei wichtig und bereite vielen Betroffenen Sorge, so die Expertin weiter.
Ansprechen oder Schweigen: Was hilft bei der Entscheidung?
Ob man eine chronische Erkrankung offenlegt, ist immer eine Frage, die von vielen Faktoren abhängt. «Wir empfehlen Betroffenen, sich in jedem Fall im Vorfeld beraten zu lassen», sagt Ataman. Das geht zum Beispiel bei Stellen wie der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe für chronisch kranke Menschen.
Wichtig: «Es gibt keine optimale Entscheidung in dem Sinne, dass sich garantieren ließe, keine Nachteile zu erfahren», stellt Jana Bauer klar. Oft lasse sich aber mit möglichen negativen Konsequenzen besser umgehen, wenn Betroffene wissen, dass sie sich so gut es geht informiert haben - und die Entscheidung getroffen, die am besten zu ihnen passt.
Wie spricht man das Thema am besten an?
Wer sich entscheidet, die Erkrankung offen anzusprechen, profitiert von einer guten Vorbereitung. «Man sollte sich beispielsweise vorher überlegen, ob es Personen gibt, die man als Unterstützung dabeihaben will, etwa eine Schwerbehindertenvertretung», empfiehlt Mathilde Niehaus. Auch die Auseinandersetzung mit den Fragen, an welchem Ort, mit wem und mit welchem Ziel das Gespräch stattfinden soll, kann Sicherheit vermitteln. Zudem macht es Sinn, sich zu fragen, was man sagen möchte und welche Reaktion aufkommen könnte.
Wie geht man mit Unverständnis um?
Reagieren Vorgesetzte oder das Team anders als gewünscht, sollte man sich beratende Unterstützung holen. Das können Selbsthilfegruppen, aber auch betriebliche Akteure oder einzelne Kollegen sein. «Und man sollte seine eigenen Rechte kennen», sagt Jana Bauer. «Man ist einer anderen Situation, wenn man beispielsweise weiß, dass der Arbeitgeber dieses oder jenes nicht androhen darf.» Einen Überblick zu den Rechten gibt es zum Beispiel auf der Projektseite «Sag ich's?».