Was bringt das neue Online-Register zu Organspenden?

Gesundheit

Berlin (dpa) - Organspenden können Leben retten. Doch Jahr für Jahr stehen Tausende Schwerkranke in Deutschland auf Wartelisten, um eine Niere oder ein neues Herz zu erhalten. Dabei ist laut Umfragen eine große Mehrheit der Menschen grundsätzlich positiv zum Thema Organspende nach dem Tod eingestellt. Nur eine konkrete Entscheidung - ob dafür oder dagegen - schieben viele immer wieder auf oder halten sie nicht schriftlich fest.

Heute soll mit einiger Verspätung ein zentrales Register an den Start gehen, das auch eine digitale Möglichkeit anbietet. 

Worum geht es genau?

Das Register ist Teil eines Gesetzes, das der Bundestag 2020 nach einer Initiative einer Abgeordnetengruppe um die heutige Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) beschlossen hatte. Ziel ist die «Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende».

Dafür sollen mehr regelmäßige Denkanstöße organisiert werden - und auch leichtere Möglichkeiten, eine Entscheidung zu dokumentieren. Wer ab 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn nach zehn Jahren verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll im Amt Info-Material bekommen. Hausärzte und Hausärztinnen sollen Patientinnen und Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre ergebnisoffen über Organspenden informieren.

Wie funktioniert das Register?

Eingerichtet ist das Portal www.organspende-register.de beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. In Betrieb gehen soll es schrittweise: Von Heute an soll man sich dort eintragen können, indem man einen Ausweis mit Online-Funktion (eID) verwendet. Im zweiten Schritt zum 1. Juli sollen Kliniken, die Organe entnehmen, im Register Erklärungen suchen und abrufen können. Bis spätestens 30. September soll es dann möglich werden, dass man sich auch einfacher über Apps der Krankenkassen eintragen kann. Eigentlich sollte das Register zum 1. März 2022 starten, Verzögerungen gab es dann aber unter anderem wegen der Corona-Krise. 

Was soll die Online-Erklärung bezwecken?

Eine Entscheidung dokumentieren kann man weiterhin auch auf einem Blatt Papier, in einer Patientenverfügung oder auf Organspendeausweisen, die es in Ämtern, Praxen, Apotheken und zum Herunterladen aus dem Internet gibt. Doch Papiere können verloren gehen oder im Ernstfall nicht zu finden sein. Ein Eintrag im Register sorge da für Klarheit und Sicherheit, argumentiert Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das erleichtere es Ärztinnen und Ärzten, eine mögliche Spendebereitschaft schnell und verlässlich zu klären.

«Vor allem aber entlastet es Angehörige im Ernstfall von einer schweren Entscheidung.» Gibt es keine Erklärung von Verstorbenen, werden nämlich etwa Ehepartner, volljährige Kinder oder Geschwister dazu angesprochen. 

Was genau kann man im Register angeben?

Freiwillig eintragen kann man sich ab dem Alter von 16 Jahren. Dabei kann man aus fünf Optionen wählen:

  • «Ja, ich gestatte, dass nach der ärztlichen Feststellung meines Todes meinem Körper Organe und Gewebe entnommen werden»;
  • «Ja, ich gestatte dies, mit Ausnahme folgender Organe/Gewebe»;
  • «Ja, ich gestatte dies, ich möchte jedoch nur bestimmte Organe/Gewebe zur Spende freigeben»;
  • «Über ja oder nein soll dann folgende Person entscheiden»;
  • «Nein, ich widerspreche der Entnahme von Organen oder Geweben».

Einträge kann man ändern oder löschen. Generell gilt für Erklärungen, ob auf Papier oder digital: Es gilt immer die jüngste.

Wie funktioniert das Register technisch?

So einfach wie beim Online-Shopping läuft es mit dem amtlichen Register nicht. Um Einträge machen zu können, braucht man in der ersten Phase einen Personalausweis im Scheckkartenformat mit aktivierter Online-Funktion - laut Bundesinnenministerium waren davon Ende 2022 geschätzt 51,4 Millionen im Umlauf. Haben muss man auch ein NFC-fähiges Smartphone oder Tablet zum drahtlosen Datenaustausch oder ein Kartenlesegerät für Computer. Die Daten liegen auf einem Server in Deutschland, wie es beim Bundesinstitut heißt. Authentifizierungsverfahren sicherten, dass nur die erklärende Person und berechtigtes Klinikpersonal auf Einträge zugreifen können.

Wie ist überhaupt die Lage bei Organspenden?

Im vergangenen Jahr haben 965 Menschen nach ihrem Tod ein Organ oder mehrere Organe gespendet. Das waren 96 mehr als nach einem starken Einbruch 2022, wie die koordinierende Deutsche Stiftung Organtransplantation bilanzierte. Zugleich standen aber knapp 8400 Menschen auf den Wartelisten für eine Transplantation.

Die Zahl der entnommenen Organe stieg um 8,1 Prozent auf 2877, nämlich 1488 Nieren, 766 Lebern, 303 Herzen, 266 Lungen, 52 Bauchspeicheldrüsen und zwei Därme. Damit Organspenden überhaupt infrage kommen, müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den vollständigen und unumkehrbaren Ausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bestätigen, also den Hirntod.

Wie geht es weiter?

Inwiefern das Register bekannt und genutzt wird, muss sich zeigen. Generell trifft es laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov auf breite Zustimmung. Demnach befürworten 71 Prozent ein solches Portal. Eine getroffene Entscheidung auf jeden Fall ins Register eintragen wollen 25 Prozent, zumindest eher Ja sagten 31 Prozent. Eher Nein dazu sagten 13 Prozent, auf keinen Fall 10 Prozent.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz monierte indes, dass eine eigentlich im Gesetz festgelegte bürgernahe Eintragungsoption fehlt: direkt in den Ausweisstellen. In keinem Passamt stünden datenschutzsichere Computerterminals dafür, sagte Vorstand Eugen Brysch.

Was ist mit den generellen Regeln für Organspenden?

Eine ganz grundsätzliche Diskussion schwelt weiter. Denn mit dem 2020 beschlossenen Register-Gesetz bleiben Organspenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Die moderatere Reform setzte sich bei der Abstimmung im Bundestag gegen eine weitergehende Initiative durch. Demnach sollten alle Menschen zunächst automatisch als Organspender gelten, außer man widerspricht.

Lauterbach hatte sich damals als Abgeordneter dafür eingesetzt - und sprach sich 2023 angesichts der gesunkenen Spendezahlen des vorherigen Jahres für einen neuen Anlauf im Parlament aus. Patientenschützer Brysch warnt, die Widerspruchslösung dürfe nun nicht wegen verschleppter Umsetzung des Registers durch die Hintertür erzwungen werden.

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